Welchen Sinn haben liturgische Gewänder?

Marius Linnenborn im Interview bei katholisch.de

 

Die Angli­ka­ni­sche Kir­che hat die Klei­dungs­vor­schrif­ten für den Got­tes­dienst gelo­ckert. Das war Anlass für katholisch.de, nach dem Sinn lit­ur­gi­scher Klei­dung und nach Per­spek­ti­ven in der katho­li­schen Kir­che zu fra­gen. (Trier - 31.07.2017)

 

Fra­ge: Herr Lin­nen­born, die Angli­ka­ner haben die Vor­schrif­ten für die lit­ur­gi­sche Klei­dung gelo­ckert und kön­nen nun theo­re­tisch auch in Jeans und Turn­schu­hen am Altar die Mes­se fei­ern. Was hal­ten Sie davon?
Lin­nen­born:
Das fin­de ich sehr erstaun­lich. Lit­ur­gi­sche Klei­dung hat ja bestimm­te Funk­tio­nen. Die­se grund­sätz­lich infra­ge zu stel­len, über­rascht mich doch sehr - zumal in der eng­li­schen Kul­tur eigent­lich sehr viel von Stil gehal­ten wird. Zum Bei­spiel gibt es ja dort auch Schuluniformen.

Fra­ge: Wel­che Auf­ga­ben und Funk­tio­nen erfüllt die lit­ur­gi­sche Klei­dung in der katho­li­schen Kirche?
Lin­nen­born: Jede Art von Klei­dung erfüllt einen bestimm­ten Zweck. Die All­tagklei­dung hat den Sinn, dass sie schützt und ver­hüllt. Man kann mit der Mode, die man trägt, aber auch bestimm­te Din­ge aus­sa­gen, der eige­nen Per­sön­lich­keit Aus­druck geben. Die lit­ur­gi­sche Klei­dung soll zei­gen, dass ihr Trä­ger inner­halb der got­tes­dienst­li­chen Ver­samm­lung eine bestimm­te Auf­ga­be hat. Wer ein lit­ur­gi­sches Gewand trägt, erfüllt einen beson­de­ren Dienst, man könn­te auch sagen: eine Rol­le. Das Gewand unter­stützt dabei. Außer­dem zeigt die Klei­dung, wel­chen Dienst der Trä­ger genau ver­rich­tet: Ist es ein Pries­ter, Dia­kon oder Mess­die­ner? Die lit­ur­gi­sche Klei­dung ist ja nicht nur etwas für Pries­ter, son­dern auch für die übri­gen Diens­te, zum Bei­spiel für Kom­mu­ni­on­hel­fer und Lek­to­ren, und auch nicht nur etwas für die Mess­fei­er, son­dern auch für alle, die Wort-Got­tes-Fei­ern oder Begräb­nis­se lei­ten. Schließ­lich soll lit­ur­gi­sche Klei­dung den fest­li­chen Cha­rak­ter eines Got­tes­diens­tes unter­strei­chen – was nicht heißt, dass sie prunk­voll sein muss, mit viel Gold und Bro­kat – sie kann auch schlicht und fei­er­lich sein.

Fra­ge: Wäre eine Reform wie bei den Angli­ka­nern eines Tages auch in der katho­li­schen Kir­che denkbar?
Lin­nen­born: Das kann ich mir nicht vor­stel­len. Es gibt natür­lich ver­schie­de­ne Abstu­fun­gen, wel­che lit­ur­gi­sche Klei­dung zu wel­chem Anlass getra­gen wird. Wenn ich etwa bei einem Zelt­la­ger die Mes­se auf einer Wie­se, womög­lich „im Matsch“ feie­re, muss ich nicht unbe­dingt ein lan­ges wei­ßes Gewand tra­gen, son­dern viel­leicht nur eine Sto­la. Die gehört aber schon dazu, wenn ein Pries­ter eine pries­ter­li­che Hand­lung vollzieht.

Mari­us Lin­nen­born ist seit dem 1. Novem­ber 2016 Lei­ter des Lit­ur­gi­sches Insti­tuts in Trier. Davor hat der Esse­ner Diö­ze­san­pries­ter unter ande­rem Lit­ur­gie­wis­sen­schaft an der Phi­lo­so­phisch-Theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le Müns­ter und an der Musik­hoch­schu­le Köln gelehrt. (Foto: Bis­tum Essen)

 

Fra­ge: Die Angli­ka­ner begrün­den die Ände­rung mit dem „all­ge­mei­nen Wan­del“ der Gesell­schaft. Wer weiß denn in der katho­li­schen Kir­che eigent­lich noch, was Albe, Kasel, Sto­la und Co. sind? Ist das Argu­ment, dass die pries­ter­li­che Klei­dung aus der Zeit gefal­len ist, nicht nachvollziehbar?
Lin­nen­born:Die lit­ur­gi­schen Gewän­der haben ihren Ursprung in der anti­ken Klei­dung im alten Rom. Inso­fern sind sie natür­lich aus der Zeit gefal­len. Aber sie hel­fen heu­te allen Got­tes­dienst­fei­ern­den, den beson­de­ren Cha­rak­ter die­ser Fei­er zu erspü­ren, die über das rein All­täg­li­che hin­aus­geht. Man muss viel­leicht nicht unbe­dingt die Ein­zel­hei­ten lit­ur­gi­scher Klei­dungs­stü­cke ken­nen. Aber gut wäre es zu wis­sen, dass die Albe, das wei­ße Unter­ge­wand, sei­nen Ursprung im Tauf­kleid hat und des­halb eigent­lich die Beklei­dung aller Getauf­ten ist. Ich glau­be, dass die Mehr­zahl der Gläu­bi­gen irri­tiert wäre, wenn der Pries­ter auf ein­mal ohne Gewand zum Got­tes­dienst erschei­nen wür­de. Außer­dem ist doch in den ver­gan­ge­nen Jah­ren zu beob­ach­ten, dass auf fest­li­che Klei­dung wie­der mehr Wert gelegt wird. Wie sich heu­te die jun­gen Leu­te zur Abitur­fei­er klei­den – das war zu mei­ner Zeit nicht üblich. Bei vie­len Anläs­sen gibt es doch so etwas wie einen „Dress­code“.

Fra­ge: Trotz­dem ist das The­ma auch in der katho­li­schen Kir­che nicht neu: Stra­te­gie­be­ra­ter Erik Flüg­ge kri­ti­siert, die Pries­ter wür­den durch das Mess­ge­wand in eine „ent­mensch­lich­te Rol­le“ hin­ein­ver­setzt und soll­ten im Ide­al­fall in Zivil auf­tre­ten. Unter dem Gewand erken­ne man die Ges­tik kaum noch….
Lin­nen­born:
Das kann ich so nicht nach­voll­zie­hen. Die Ges­tik wird durch das Gewand ja gera­de noch unter­stri­chen – etwa wenn der Pries­ter die Arme zum Gruß „Der Herr sei mit Euch“ öff­net. Ein gewis­ses Zurück­tre­ten der Per­sön­lich­keit gegen­über der Auf­ga­be, dem Dienst, ist ja gera­de der Sinn der lit­ur­gi­schen Klei­dung. Aber viel wich­ti­ger als das Äuße­re ist doch das authen­ti­sche Wort und die Zuge­wandt­heit zur Gemein­de. Ich war 20 Jah­re als Pries­ter in ver­schie­de­nen Pfar­rei­en tätig und habe nicht die Erfah­rung gemacht, dass das Gewand dabei hin­der­lich ist. Ich kann mich auch nicht erin­nern, dass die lit­ur­gi­sche Klei­dung in der Gemein­de­ar­beit ein Dis­kus­si­ons­the­ma war oder grund­sätz­lich kri­ti­siert wur­de. Eine ande­re Fra­ge ist natür­lich der Stil des Gewan­des. Es soll­te nicht in dem Sin­ne aus der Zeit gefal­len sein, dass alte Klei­der aus dem Schrank geholt wer­den, die der Lit­ur­gie unse­rer Zeit nicht entsprechen.

Fra­ge: Wel­che alten Gewän­der könn­ten das sein? Die Cap­pa Magna als meter­lan­ger roten Schlei­er, die etwa der us-ame­ri­ka­ni­sche Kar­di­nal Bur­ke manch­mal noch trägt?
Lin­nen­born: Wer so etwas heu­te trägt, will damit natür­lich auch etwas Bestimm­tes aus­drü­cken. Kost­ba­re Gewän­der soll­ten zwar nicht nur im Muse­um aus­ge­stellt wer­den, aber es gibt eben sol­che, die im Kon­text ihrer Zeit ent­stan­den und des­halb für das heu­ti­ge Lit­ur­gie- und Kir­chen­ver­ständ­nis nicht mehr pas­send sind.

Fra­ge: Beson­ders die Mitra, also die bischöf­li­che Kopf­be­de­ckung, wur­de von den Angli­ka­nern kri­ti­siert – als „unnö­ti­ges und nicht hilf­rei­ches“ Machtsymbol…
Lin­nen­born:
Aber stel­len Sie sich ein­mal vor: Wenn ein Bischof zur Fir­mung in eine Gemein­de käme und kei­ne Mitra trägt, wären die Men­schen dann nicht ent­täuscht? Wür­den sich nicht vie­le fra­gen, ob das wirk­lich ein Bischof ist? Auch hier geht es wie­der um den Stil: Eine hohe Mitra im Stil der Barock­zeit mag viel­leicht wie ein Zei­chen der Macht wir­ken. Heu­te bevor­zu­gen immer mehr Bischö­fe eine schlich­te nied­ri­ge­re Form, die nicht Grö­ße oder Macht, son­dern ein­fach das Amt des Bischofs sym­bo­li­siert. Wie die Mitra bei den Gläu­bi­gen ankommt, hängt sicher auch von der kon­kre­ten Benut­zung ab – etwa wie oft die Mitra auf- und abge­setzt wird.

Fra­ge: Wie ist das mit der Klei­dung der Päps­te? Gera­de in den letz­ten Amts­jah­ren Bene­dikt XVI. wur­de ja auch des­sen aus­ufern­der Klei­dungs­stil kri­ti­siert und Fran­zis­kus setz­te bewusst einen Kontrapunkt…
Lin­nen­born:
Der Stil der Gewän­der von Papst Bene­dikt wirk­te in sei­ner Spät­zeit manch­mal tat­säch­lich etwas aus der Zeit gefal­len. Dage­gen hat Papst Fran­zis­kus auf sehr schlich­te Gewän­der gesetzt – das Gegen­teil, was auch nicht unbe­dingt sein muss. Es gibt ja auch einen Mit­tel­weg: eine zeit­ge­mä­ße Gestal­tung, die edel, aber den­noch ein­fach und nicht pom­pös ist, und die gera­de so allen hilft, bei der Fei­er der Lit­ur­gie in den Raum der Begeg­nung mit Gott einzutreten.

 

Von Gabrie­le Höfling
(http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/diesen-sinn-haben-liturgische-gewander-bis-heute)

 

 

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Die Bei­trä­ge gehen ver­schie­de­nen Fra­ge­stel­lun­gen nach: Wie kann heu­te ange­mes­se­ne lit­ur­gi­sche Klei­dung aus­se­hen, die nicht nur Hin­weis auf eine bestimm­te Funk­ti­on, son­dern auch Aus­druck für den Fei­er­cha­rak­ter der Lit­ur­gie ist? Wel­che Kri­te­ri­en sind zu berück­sich­ti­gen? Wie haben sich lit­ur­gi­sche Gewän­der ent­wi­ckelt? Was ist in Zukunft zu bedenken? 

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Andre­as Posch­mann (Hg.)
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DEUTSCHES LITURGISCHES INSTITUT
Weberbach 72 a, D-54290 Trier, Telefon: +49-651-94808-0
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