»Die Kirche steht gegründet«
(GL 482)

Wor­te: Anna Thek­la von Weling (1898); Musik: Samu­el Sebas­ti­an Wes­ley (1864)

 

Lied­por­trait von Mein­rad Walter

Kir­chen­lie­der sind eine musi­ka­li­sche Spra­che des Glau­bens. Vie­le Aspek­te klin­gen dabei wie Ober­tö­ne mit, von Maria bis zu den Engeln, von Schöp­fung bis Voll­endung. Am Anfang die­ses Cho­rals steht der Grund­ton des apos­to­li­schen Glau­bens­be­kennt­nis­ses. Der angli­ka­ni­sche Pfar­rer Samu­el John Stone (1839–1900) hat alle The­men des Cre­do in sei­ner 1866 erschie­ne­nen Samm­lung „Lyra fide­li­um“ in Lie­der gefasst.

Das The­ma der ursprüng­lich sie­ben Stro­phen ist der drit­te Glau­bens­ar­ti­kel: „The holy Catho­lic Church, the com­mu­ni­on of Saints“. Bereits im Jahr 1888 stimm­te die drit­te Lam­beth-Kon­fe­renz der welt­wei­ten Angli­ka­ni­schen Kir­che das Lied in Can­ter­bu­ry an. Sein Ver­fas­ser war Pfar­rer in Hagers­ton und London.

Von einer impo­nie­ren­den Frau des 19. Jahr­hun­derts erhielt das eng­li­sche Ori­gi­nal dann eine deut­sche Über­tra­gung. Die in Neu­wied gebo­re­ne und spi­ri­tu­ell von der Herrn­hu­ter Brü­der­ge­mei­ne gepräg­te Anna Thek­la von Weling (1837–1900) war die Toch­ter einer schot­ti­schen Hof­da­me. Sie war in etli­chen Spra­chen zu Hau­se und las das Neue Tes­ta­ment im grie­chi­schen Urtext.

Bei einer Pre­digt des ehe­ma­li­gen Rechts­an­walts Regi­nald Rad­clif­fe wider­fuhr ihr ein Bekeh­rungs­er­leb­nis, das ihrem Leben neue Rich­tung gab. Etli­che Bücher hat sie unter dem Pseud­onym Hans Tharau ver­öf­fent­licht. 1898 erschien ihre Über­tra­gung unse­res eng­li­schen Cho­rals erst­mals in der Samm­lung „Blan­ken­bur­ger Lie­der“. Neben vie­len cari­ta­ti­ven Tätig­kei­ten, etwa in einem Bon­ner Laza­rett im Deutsch-fran­zö­si­schen Krieg 1870/71, hat sie in ihrem spä­te­ren Wohn­ort Bad Blan­ken­burg das bis heu­te exis­tie­ren­de Evan­ge­li­sche Alli­anz­haus gegrün­det. 28 Per­so­nen kamen dort im Jahr 1886 zur ers­ten Alli­anz­kon­fe­renz zusam­men. In spä­te­ren Zei­ten soll­ten es meh­re­re Tau­send wer­den, die sich dort in öku­me­ni­schem Geist über die Ein­heit der christ­li­chen Kir­che austauschten.

Und unser Lied? Die drei im Evan­ge­li­schen Gesang­buch sowie im katho­li­schen Got­tes­lob abge­druck­ten Stro­phen zei­gen einen kla­ren Auf­bau. Am Beginn steht der Ursprung der Kir­che, ihre Grün­dung durch und in Chris­tus. Nach der ers­ten Schöp­fung ist die pfingst­li­che Kir­chen­grün­dung eine „erneu­te Schöp­fung“. Zur Schöp­fung tritt die Erwäh­lung: Chris­tus hat die Kir­che zu sei­ner Braut erwählt und die­sen neu­en Bund mit sei­nem Blut besiegelt.

Auf die­se Her­kunft folgt eine vom Apos­tel Pau­lus inspi­rier­te Skiz­ze der kirch­li­chen Gegen­wart. Alles ist auf einen Grund­ton gestimmt, näm­lich auf die Ein­heit der Kir­che. Das war ja das Lebens­mot­to der Ver­fas­se­rin. Die drit­te Stro­phe wen­det sich der Zukunft zu, der Voll­endung. Von der Schar der Erlös­ten ist in der Bibel die Rede: „Die Erlös­ten des Herrn wer­den wie­der­kom­men und gen Zion kom­men mit Jauch­zen. Ewi­ge Freu­de wird über ihnen sein“. Der Gesang die­ses Lie­des will ein Prä­lu­di­um jenes Neu­en Lie­des sein. In der Zeit öff­net sich ein Fens­ter der Ewig­keit. Wir sind zwar noch hier, aber „schon hier“ durch Chris­tus ver­bun­den mit der „seli­gen Gemein­schaft“ dort. Im Ori­gi­nal wird das deut­li­cher als in der Gesang­buch­fas­sung, weil die letz­ten Zei­len lau­ten: „Ihr hoch­be­glück­ten Geis­ter, zu Jesus rufen wir, dass wir mit euch den Meis­ter dort prei­sen für und für“.

Die Melo­die ist älter als der Text. Kom­po­niert hat sie 1864 der eng­li­sche Kom­po­nist Samu­el Sebas­ti­an Wes­ley (1810–1876). Der Bru­der sei­nes Groß­va­ters war John Wes­ley, der Grün­der des Metho­dis­mus. Den zwei­ten Vor­na­men ver­dankt Samu­el Sebas­ti­an Wes­ley der Begeis­te­rung sei­nes Vaters Samu­el, auch er war Kom­po­nist und Orga­nist, für Johann Sebas­ti­an Bach.

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