»Herr, dich loben die Geschöpfe«
(GL 466)

Der Son­nen­ge­sang

Wor­te: Franz von Assi­si, Son­nen­ge­sang 1225/Kurt Rose 1991/1992; Musik: GGB 2010 nach Fried­rich Filitz 1847

 

Liedportrait von Meinrad Walter

Was wir hier sin­gen, ist eines der berühm­tes­ten Gebe­te des Chris­ten­tums. Ursprüng­lich waren die Wor­te auf umbrisch ver­fasst und in alti­ta­lie­ni­scher Spra­che nie­der­ge­schrie­ben, um das Jahr 1225. Den Son­nen­ge­sang hat der Grün­der des Fran­zis­ka­ner­or­dens in sei­nen letz­ten Lebens­jah­ren for­mu­liert, und zwar als die poe­ti­sche Quint­essenz sei­nes Glau­bens und Lebens. Das berühm­tes­te Gedicht des hei­li­gen Fran­zis­kus als kom­po­nier­tes Gebet in fünf Stro­phen ergibt ins­ge­samt einen stim­mi­gen Spannungsbogen.

Und die Melo­die? Sie könn­te man­chen bekannt vor­kom­men aus dem Bereich der angli­ka­ni­schen Kir­chen­mu­sik. Im Inter­net fin­det man ein­drucks­vol­le Hör­bei­spie­le unter dem Stich­wort „Lead uns, hea­ven­ly father“. Sogar bei Trau­ungs­fei­er­lich­kei­ten von bri­ti­schen „Royals“ in der West­mins­ter Abbey ist die schwung­vol­le Melo­die schon erklun­gen. Sie ist aller­dings nicht eng­li­schen Ursprungs son­dern stammt aus einer Cho­ral­samm­lung des deut­schen Kir­chen­mu­si­kers Fried­rich Filitz. Er hat nicht nur Lie­der gesam­melt, son­dern trat auch mit Schrif­ten zur Erneue­rung der Kir­chen­mu­sik aus dem Geist der Tra­di­ti­on hervor.

„Herr, dich loben die Geschöp­fe“ – für Franz von Assi­si kann der Hori­zont des viel­stim­mi­gen Got­tes­lo­bes gar nicht weit genug gefasst wer­den: von den Gestir­nen (Stro­phen 1 und 2) bis zu den sterb­li­chen Men­schen (Stro­phe 5), von den Ele­men­ten der Natur (Stro­phen 2 bis 4: Luft, Was­ser, Feu­er und Erde) bis zu „Raum und Zeit“ (Stro­phe 1), den von Kurt Rose neu hin­zu­ge­füg­ten Koor­di­na­ten allen Lebens in Got­tes Schöp­fung. Die inne­re Zuord­nung, ja Ver­wandt­schaft alles Geschaf­fe­nen kommt zum Aus­druck durch die fami­liä­re Anre­de als „Schwes­ter“ und „Bru­der“, in stim­mi­ger Abwechs­lung von „fra­te“ (Bru­der) und „sora“ (Schwes­ter), was in der deut­schen Über­tra­gung frei­lich so nicht mög­lich ist. Im Ita­lie­ni­schen ist näm­lich die Son­ne männ­lich (fra­te sole) und der Mond weib­lich (sora luna), in der deut­schen Spra­che ist es umgekehrt.

Die poe­tisch-lied­haf­te Umfor­mung des Son­nen­ge­sangs stammt von Kurt Rose (1908–1999), der als Autor, Leh­rer und Über­set­zer gear­bei­tet hat. Äuße­rer Anlass war 1991/92 eine Aus­schrei­bung der Gesang­buch­kom­mis­si­on für das Refor­mier­te Gesang­buch der Schweiz. Rose behält den ori­gi­na­len Span­nungs­bo­gen des Son­nen­ge­sangs bei und über­trägt die prei­sen­den Gedan­ken des hei­li­gen Fran­zis­kus fast wort­ge­treu. Durch eine Art poe­ti­scher Raf­fung hat er sei­ne recht wört­li­che Über­tra­gung von ursprüng­lich neun Stro­phen auf fünf Stro­phen gekürzt.

Aus vie­len Quel­len speist sich die­ses Lied. Ent­schei­dend ist, dass am Ende alles zusam­men­passt in die­ser Ver­to­nung des berühm­tes­ten Gebets des hei­li­gen Fran­zis­kus, zu dem es unzäh­li­ge „Echos“ in Lite­ra­tur, Bil­den­der Kunst und Musik gibt. Der berühm­te Son­nen­ge­sang erin­nert an die von Gott gewoll­te Ein­heit sei­ner guten Schöp­fung, die vom Auf­trag zu ihrer Bewah­rung nie­mals zu tren­nen ist. Die kraft­vol­le Melo­die bringt einen hym­nisch-angli­ka­ni­schen Akzent ins Got­tes­lob. Vor allem aber unter­stützt sie die Bot­schaft, deren Quint­essenz am Ende jeder Stro­phe refrainar­tig erklingt: „Alle Schöp­fung lobt den Herrn.“

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