
Liturgisches Jahrbuch 3/2023
Inhalt der Ausgabe 3/2023
Editorial
Bruce T. Morrill SJ
Der Streit um die Taufformel in der katholischen Kirche in den USA
Clemens Leonhard
Unwirksame Taufen
Sabine Konrad
Die Spendeformeln der Sakramente als Gültigkeitsvoraussetzungen
Buchbesprechungen
Büchereinlauf
Editorial 3/2023: ZU DIESEM HEFT
In den letzten Jahren ließen Berichte aus US-amerikanischen Diözesen aufhorchen. Eher durch Zufall wurde bekannt, dass in den Erzbistümern Detroit, Michigan, und Oklahoma City, Oklamhoma, sowie im Bistum Phoenix über Jahre hinweg Taufen gespendet wurden, die ungültig waren. Dies betraf einen jungen Priester, der sich das Video seiner Taufe ansah und hörte, wie der Taufspender ihn mit der vom Ritus abweichenden Formel »we baptize you …« taufte. Seine Meldung an seine Heimatdiözese leitete diese an die Kongregation für die Glaubenslehre weiter, die am 24. Juni 2020 entschied, dass die so gespendete Taufe ungültig und diese »in forma absoluta« nachzuholen sei. Damit war klar, dass die von diesem Priester in den drei Jahren seines Dienstes gefeierten Sakramente der Eucharistie, Buße und Krankensalbung ungültig waren. Diese Vorgänge veranlassten einen weiteren jungen Priester sich die Videoaufnahme seiner eigenen Taufe daraufhin noch einmal anzusehen, wobei auch hier die inkriminierte Formel »we baptize you …« gebraucht worden war, verbunden mit den entsprechenden Folgeproblemen. Schließlich hatte ein Pfarrer in seinen 16 Dienstjahren gleichfalls bei den Tauffeiern das Pronomen »I« durch »we« ersetzt. Tausende von Taufen waren damit ebenso null und nichtig. Unzählige Personen waren zu kontaktieren, um für sie nachträglich eine neue Feier der Taufe und der Firmung zu arrangieren und mögliche Konsequenzen für die kirchliche Eheschließung zu überprüfen.
Die beiden Fälle riefen nicht nur ein breites mediales Echo hervor. Sie stellen auch grundsätzliche Anfragen an die Theologie und Praxis der Sakramente. So ist nach den Bedingungen der gnadenhaften Wirkungen von Sakramenten ebenso zu fragen, wie nach dem Rechtsschutz, den alle genießen, die ein Sakrament feiern. Woran ist die Wirkung eines Sakramentes zu knüpfen? Was bestimmt dessen Gültigkeit? In welchem theologischen Verhältnis stehen Form und Materie zu den zentralen Sakramentengebeten? Und was heißt das etwa für die gegenseitige Anerkennung der Taufe über konfessionelle Grenzen hinweg? Diese und ähnliche Fragen greifen die Beiträge des vorliegenden Heftes auf.
Bruce T. Morrill S.J. (Nashville, Tennessee) schildert die genannten Konfliktfälle und die Reaktionen darauf in den Medien und der Bevölkerung und ordnet die Vorgänge in die Diskussionen in der us-amerikanischen Kirche ein. Clemens Leonhard (Münster) nimmt den Streit um die Taufformel zum Anlass, grundsätzlicher nach Wirkung und deren Bestimmung bei der Feier der Sakramente zu fragen. Und schließlich betrachtet Sabine Konrad (Graz) die Problematik aus kirchenrechtlicher Sicht und reklamiert zum Schutz der kirchlichen Güter und zum Schutz der Gläubigen die Bindung an die Vorgaben des liturgischen Rechts.
Die aus den unterschiedlichen Sichtweisen verfassten Beiträge zeigen nicht nur die Bandbreite der hier verhandelten Problematik auf. Sie können auch als Impuls gelesen werden, die grundlegenden Dimensionen sakramentalen Handelns der Kirche kontrovers zu diskutieren und im Geflecht von Liturgie, Recht und kirchlicher Autorität zu beleuchten.