»Tochter Zion, freue dich!«
(GL 228)

Ein geist­li­ches Volks­lied zum Advent

Wor­te: Fried­rich Hein­rich Ran­ke (1826); Musik: Georg Fried­rich Hän­del (1747)

 

Lied­por­trait von Mein­rad Walter

Vor­freu­de ist eine beson­ders schö­ne Freu­de. Das gilt sogar in der Lit­ur­gie. Der Drit­te Advents­sonn­tag heißt nach dem Anfangs­wort des Eröff­nungs­ver­ses auch „Gau­de­te“: „Freut euch“! Obwohl der Advent eine Buß­zeit ist, wird an die­sem Sonn­tag schon etwas von der weih­nacht­li­chen Freu­de spür­bar. „Jub­le, Toch­ter Zion! Jauch­ze, Isra­el!“, so hebt die ers­te Lesung an. Der Ant­wort­psalm greift das auf: „Jauchzt und jubelt, ihr Bewoh­ner von Zion.“ Und die zwei­te Lesung schärft es ein: „Noch ein­mal sage ich: Freut euch!“.

Die berühm­tes­te Musik zur vor­weih­nacht­li­chen Freu­de ist das Lied „Toch­ter Zion, freue dich“. Sei­ne Geschich­te ist ein­zig­ar­tig, denn es ist die nach­träg­li­che Bear­bei­tung eines 1747 kom­po­nier­ten vier­stim­mi­gen Chor­sat­zes aus einem Ora­to­ri­um von Georg Fried­rich Hän­del. „Seht, er kommt mit Preis gekrönt“ heißt der ori­gi­na­le Text in deut­scher Fas­sung. Fried­rich Hein­rich Ran­ke (1789–1876), ein Bru­der des berühm­ten His­to­ri­kers Leo­pold von Ran­ke, hat im Jahr 1820 die Umdich­tung im Blick auf Advent (und Palm­sonn­tag) geschickt bewerk­stel­ligt. Erst­mals erklang das Lied nicht in einem Got­tes­dienst, son­dern in einem musi­ka­li­schen Salon! Bald dar­auf fin­den wir es in Schul­bü­chern als geist­li­ches Volkslied.

Die Wor­te sind immer neue Auf­ru­fe zur Freu­de. Ein König soll begrüßt wer­den, des­sen Bot­schaft der Frie­de ist. Des­halb regiert er auf einem „Frie­densthron“. Der Anfangs- und Schluss­teil ist von schwung­vol­len Akkor­den geprägt, die in Hal­be­no­ten ein­her­schrei­ten. Nach der fan­fa­ren­haf­ten Umspie­lung der Drei­klang­stö­ne folgt im drit­ten Takt eine jauch­zen­de Auf­wärts­be­we­gung zum Wort „freue (dich)“, die zwei Tak­te spä­ter bei „jauch­ze“ noch über­bo­ten wird, weil nun der Spit­zen­ton auf dem Wort „laut“ erreicht wird. Im ver­hal­te­nen Mit­tel­teil kom­men dann die Demut und Mil­de des Königs mit har­mo­ni­schen Mit­teln zur Geltung.

Wer aber ist die „Toch­ter Zion“, von der wir hier sin­gen? „Zion“ ist zunächst der Tem­pel­berg in Jeru­sa­lem, schon im Alten Tes­ta­ment aber auch Sym­bol­be­griff für die himm­li­sche Stadt und für Got­tes Volk. Die „Töch­ter Zion“ sind die­je­ni­gen, die den ver­hei­ße­nen Mes­si­as sehn­süch­tig erwar­ten. Chris­ten iden­ti­fi­zie­ren sich mit „Zion“, denn auch sie erwar­ten im Advent einen König. Damit darf frei­lich kei­ne Abwer­tung des Juden­tums ver­bun­den sein.

„Toch­ter Zion“ kann an drei Sta­tio­nen des Kir­chen­jah­res erklin­gen. Ent­stan­den ist es für den Palm­sonn­tag. Auch an Weih­nach­ten eig­net es sich gut, etwa wenn der Chor die ers­ten bei­den Zei­len als Kehr­vers zum Ant­wort­psalm singt. Am bes­ten aber passt die­ses Lied zur freu­di­gen Erwar­tung des Sonn­tags Gau­de­te im Advent.

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