Wie entsteht eigentlich ein neues Gebet- und Gesangbuch?
Der Weg zum neuen „Gotteslob“
Manuel Uder, Deutsches Liturgisches Institut, Trier
Nur eine geringe Lebensdauer von höchstens drei, vielleicht fünf Jahren gab man dem katholischen Gebet- und Gesangbuch „Gotteslob“ (GL) bei seinem Erscheinen im Jahr 1975. Wie sollte auch ein fest gebundenes Buch die Aufbruchsstimmung der damaligen Zeit - man führe sich nur einmal die Liturgiereform und das Aufkommen neuer Musikstile vor Augen - länger überleben? Allen Kritikern zum Trotz konnte sich das GL innerhalb der Kirche etablieren. Eine Erfolgsgeschichte! Auch wenn sich nicht jedes Lied und Gebet im GL in der Praxis wirklich durchsetzen konnte, gelang es ihm, das Leben in unseren Gemeinden bis heute zu prägen.
Dem Wandel Rechnung tragen
In den Jahrzehnten seit Erscheinen des GL hat sich in der Kirche allgemein und speziell in den Bereichen Liturgie und Kirchenmusik viel getan: Im Gegensatz zu 1975 prägen heute neben der Eucharistiefeier Gottesdienstformen wie etwa die Wort-Gottes-Feier und die Tagzeitenliturgie sowie das Neue Geistliche Lied (NGL) das Gemeindeleben. Vollständig neu überarbeitet wurden in den letzten Jahren auch die Riten der Taufe sowie des Begräbnisses. 2001 fassten darum die Deutsche und die Österreichische Bischofskonferenz sowie der Bischof von Bozen-Brixen (Südtirol) den Beschluss, in der Nachfolge des GL ein neues „Gemeinsames Gebet- und Gesangbuch“ (GGB) - so der Arbeitstitel - zu erarbeiten.
Um das Projekt GGB in die Tat umzusetzen, wurde noch im gleichen Jahr die „Unterkommission Gemeinsames Gebet- und Gesangbuch“ der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz unter Vorsitz des Würzburger Bischofs Dr. Friedhelm Hofmann errichtet, unterstützt von Berater/innen aus den Bereichen Liturgie, Kirchenmusik, Pastoral, Bibel und Spiritualität - später in speziellen Arbeitsgruppen (AGs) organisiert.
Zunächst entwickelte diese Unterkommission „Grundlinien für die Erarbeitung des Gemeinsamen Gebet- und Gesangbuches“, welche richtungsweisende Eckpunkte für die weitere Arbeit bereitstellten: So sollte das GGB ausdrücklich für den häuslichen Gebrauch („Hausbuch“) und für gottesdienstliche Feiern unter der Leitung von Laien geeignet sein. Weiterhin möge es den „unterschiedlichen Bedürfnissen aller Lebensalter in Gebeten und Gesängen, Texten und Gestaltung Rechnung tragen“, also auch die Sprache der heutigen Jugend aufgreifen. Weiterhin sollten Grundtexte des christlichen Glaubens nicht nur abgedruckt, sondern auch gemeinsam mit zentralen Glaubensinhalten katechetisch erschlossen werden.
Wissenschaft und Praxis
Um Bewährtes von Überholtem zu unterscheiden, veranlasste die Unterkommission sowohl die umfassende Auswertung der über 100 vorliegenden wissenschaftlichen Arbeiten zum GL, ließ aber auch die aktuellen Nutzergruppen des Einheitsgesangbuches, d. h. die Seelsorger/innen und Pfarrgemeinden sowie die in Liturgie und Kirchenmusik tätigen Frauen und Männer, ihre Erfahrungen und Vorschläge einbringen. Dies erfolgte durch eine groß angelegte Umfrage in stichprobenartig ausgewählten Gemeinden.
Die Entscheidung, die bewährte Aufteilung von Stammteil und Eigenteilen im GGB beizubehalten, trafen die Herausgeber im Jahr 2005. Einige Monate später legten sie fest, dass es auch den Titel „Gotteslob“ tragen soll. Ein weiterer wichtiger Beschluss der beteiligten Bischofskonferenzen berührte die Struktur des GGB. So entschied man sich, die vom GL bekannte Grundgliederung für den Stammteil beizubehalten und entsprechend den neuen Bedürfnissen weiter auszufalten. Die jeweiligen Diözesen haben ihre Eigenteile in Anlehnung an den Stammteil inhaltlich konzipiert und diese um regionale Aspekte ergänzt.
Nachdem anhand der formalen und konzeptionellen Vorgaben bereits 2007 eine Fülle an Materialien und Inhalten zusammengetragen werden konnte, entschloss sich die Unterkommission für einen besonderen Praxistest:
So ließ sie von Advent 2007 bis Pfingsten 2008 eine Auswahl möglicher Gesänge und Texte für das neue GGB (u. a. ein Hausgebet für Verstorbene, Neue Geistliche Lieder, Tagzeitenliturgien sowie mehrstimmige und mehrsprachige Liedsätze) in 186 Gemeinden der 37 beteiligten (Erz-)Bistümer erproben, wozu eine Probepublikation „Gemeinsames Gebet- und Gesangbuch“ eingesetzt wurde (genauso verfuhr man parallel mit den potentiellen Materialien für das neue Orgelbuch). Bei der Auswahl der „Erprobungsgemeinden“ wurden große und kleine, ländliche und städtische Pfarreien und Seelsorgeeinheiten berücksichtigt. Zudem bestand Raum für die Einbeziehung von Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern, aber auch überregionale Einrichtungen wie Ordensniederlassungen. Getestet wurden die Inhalte der Probepublikation nicht nur durch die ausgewählten Gottesdienstgemeinden. Mit Hilfe speziell erstellter Fragebögen konnten jeweils auch Familien, einzelne aktive Gemeindemitglieder, haupt- und nebenamtlich tätige pastorale Mitarbeiter/innen sowie Kirchenmusiker/innen ihre speziellen Bewertungsmaßstäbe anlegen und ihre Bedürfnisse an die Texte und Lieder benennen. Durch die Rückmeldungen erhielt man die erhofften Aufschlüsse über die Gemeinde- und Familientauglichkeit sprachlich und inhaltlich neu gestalteter Inhalte, der Orgelsätze sowie des Layouts.
Kirchenamtliche Erlaubnis
In den folgenden Jahren wurde weiter mit Hochdruck an der Fertigstellung des GGB gearbeitet. In den Jahren 2010 und 2011 konnte nach weiteren Erprobungen neuer GGB-Inhalte die endgültige Bearbeitung erfolgen und damit schließlich die Verfahren zur Approbation (Anerkennung) der Gesänge und Texte vorbereitet und eröffnet werden. 2012 gab man deren Abschluss bekannt. Gleichzeitig wurden auch die geplanten Begleitmaterialien zum GGB-Stammteil erarbeitet, insbesondere das Orgel- und Klavierbuch.
Den römischen Vorgaben entsprechend, die im Zuge der Umsetzung der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils getroffen worden waren, mussten - unabhängig von der Erstellung eines Gebet- und Gesangbuches – Texte der in der Liturgie verwendeten Gesänge der Gottesdienstkongregation vorgelegt werden. Nach Erteilung der Recognitio (kirchenamtliche Erlaubnis) gaben die Bischöfe im November 2012 die Druckfreigabe, womit der aktuelle Herstellungsprozess von 3,6 Millionen Büchern eingeleitet werden konnte - so viele Exemplare wurden für die Erstauflage anhand der bisherigen Vorbestellungen als Bedarf ermittelt und bestellt.
Diesen Beitrag und weitere Informationen zum neuen GL findet man auf www.praxis-gottesdienst.net.
Die Zeitschrift praxis gottesdienst und ihr Online-Portal praxis-gottesdienst.net sind ein Angebot der Liturgischen Institute Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Alle Frauen und Männer in der Gemeinde, die an der Planung, Vorbereitung und Feier von Gottesdiensten mitwirken (Liturgiekreise, Vorbereitungsteams, Kommunionhelfer/-innen, Lektoren/-innen, Mesner/-innen u.a.), finden hier Verständnishilfen, Impulse, Vorlagen, Tipps und Erfahrungsaustausch.