Über die AÖL

In den 50 Jahren ihres Bestehens hat die AÖL sich gewandelt. Die Aufgaben und Arbeitsweise nach ihrer Gründung stellte der langjährige evangelische Vorsitzende Heinrich Riehm im Jahr 2000 in einem Aufsatz (siehe unten) dar.

Der Wille zu mehr Modernität, auf evangelischer Seite verbunden mit einer kritischen Sicht auf die restaurativen Grundzüge des EKG (1950), führte zu neuen Textfassungen, die sich mitunter recht weit von den originalen Texten der Lieder entfernten.

Zeitversetzt in den einzelnen Kirchen ist die Erarbeitung neuer Gesangbücher ein stetiger Prozess im engen Kontakt mit der AÖL. Die Gesangbuchgeneration der Jahrtausendwende spiegelt im Bestand der ö-Lieder den Stand der ersten Phase der Arbeit der AÖL wider. Schon mit der Erarbeitung des Gotteslobs (2013) stellte sich für die AÖL die Frage, ob die „alten“ ö-Fassungen beizubehalten oder ihrerseits behutsam zu revidieren sind. Die neueste hymnologische Forschung, wie sie sich in den Kommentarwerken zum RG/KG/CG, zum Gotteslob und zum EG niederschlägt, wirkt sich hier als Korrektiv zu einem hauptsächlich von der Rezeption in den Gemeinden geleiteten Umgang mit den Liedern aus.

 

Heinrich Riehm: Die gemeinsamen Lieder der deutschsprachigen Christenheit (in Auszügen)

Die „Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut“ (AÖL) wurde im Jahr 1969 von den christlichen Kirchen im deutschen Sprachgebiet ins Leben gerufen und beauftragt, einheitliche Text- und Melodiefassungen für gemeinsame Lieder und Gesänge zu erarbeiten, die dann für künftige Gesangbücher in den einzelnen Kirchen zur Verfügung stehen sollten.

Vorausgegangen waren Bestrebungen sowohl von katholischer Seite – im Zuge der Vorbereitung des Gesangbuchs „Gotteslob“ (GL, erschienen 1975) – als auch von evangelischer Seite – im Bemühen um ein einheitliches Singen auch zusammen mit den Freikirchen und Verbänden –, zu gemeinsamen Liedfassungen zu kommen. Nicht zuletzt war es auf evangelischer Seite die zunehmende Kritik an den archaischen Textfassungen des „Evangelischen Kirchengesangbuchs“ (EKG, erschienen ab 1950), der man durch die Bearbeitung einer Reihe wichtigster Kernlieder begegnen wollte. Eine Studientagung im März 1969 in Willingen zur „Einheit des christlichen Liedgutes“ hatte bereits Kriterien aufgestellt und konkrete Vorschläge gemacht.

Der offizielle Anstoß zur Gründung der AÖL ging dann von katholischer Seite aus, da sich abzeichnete, dass im künftigen katholischen Einheitsgesangbuch eine große Zahl von Liedern aus der evangelischen Tradition stehen würde. Von daher war eine Kooperation dringend geboten. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) stimmte der an ihn herangetragenen Bitte, ein Gremium zur Schaffung einheitlicher Text- und Melodiefassungen zu bilden, zu und entsandte über den Verband evangelischer Kirchenchöre Deutschlands, der ja das Urheberrecht am EKG hat, seine Vertreter. Die katholische Bischofskonferenz beauftragte die Gotteslob-Kommission mit der Vertretung in der AÖL. Entsandt waren auch aus der damaligen DDR Vertreter beider Konfessionen. Zur Mitarbeit wurden weiter eingeladen die römisch-katholische und die evangelischen Kirchen der Schweiz und Österreichs, die altkatholische bzw. christkatholische Kirche und die Freikirchen. Alle nahmen die Einladung an und entsandten ihre Delegierten. Die erste Tagung fand im Dezember 1969 in Hildesheim statt.

Die Arbeit ging zunächst so vonstatten, dass die Vertreter der einzelnen Kirchen ihre Liederwünsche vorlegten, aus denen dann eine gemeinsame Liste erstellt wurde. Ursprünglich war an die Erarbeitung von etwa 50 Kernliedern gedacht, die sich aber sehr bald auf mehr als 100 Lieder erhöhten. Unter den ersten Liedern befanden sich Titel wie etwa Christ ist erstanden, Nun bitten wir den Heiligen Geist, Macht hoch die Tür, Lobe den Herren, den mächtigen König, aber auch Lieder aus dem 20. Jahrhundert wie Die Nacht ist vorgedrungen.

Als Kriterien für die festzulegenden Liedfassungen sind drei Aspekte zu nennen, die bedacht und untereinander abgewogen werden mussten:

  1. Wie lautet das Original in Text und Melodie? Welche Herkunft und welchen geschichtlichen Ort hat das zu behandelnde Lied ursprünglich? Hier waren die Fachleute in der Kommission gefragt, die meist eine Fülle von Material vorlegen und über Forschungsergebnisse berichten konnten. Welche Rolle sollen die gewonnenen Erkenntnisse für die heutige Liedgestalt spielen?
  2. Welche Veränderungen hat das zu behandelnde Lied im Laufe der Geschichte erfahren und welche Sondertraditionen haben sich eventuell in einer Konfession gebildet? Wie kann aus verschiedenen Traditionen eine einheitliche Liedfassung hergestellt und was kann einer Konfession an Änderung zugemutet werden?
  3. Ist die Textgestalt heute zu verantworten? Sind sprachliche oder inhaltliche Dinge zu bedenken? Das Gesangbuch ist ja kein Museum, sondern ein Gebrauchsbuch für die Gemeinde! Wo sind die Grenzen für Verständlichkeit und Angemessenheit? Hier lag viel Zündstoff, zumal Sprachempfinden und Verpflichtung der Tradition gegenüber in den 70er und 80er Jahren einem starken Wandel unterworfen waren.

Heinrich Riehm: Die gemeinsamen Lieder und Gesänge der deutschsprachigen Christenheit. In: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 39. Bd. 2000, S. 154–178, zit. S. 156 f.