289Liturgisches Jahrbuch 1/2019

Inhalt der Ausgabe 1/2019

 

Edi­to­ri­al
MISSBRAUCH – AUCH EIN THEMA DER LITURGIE

Andre­as Odenthal
Lit­ur­gie und Lit­ur­gie­wis­sen­schaft im Kon­text der Miss­brauchs­de­bat­te: Zum Got­tes­dienst der Kir­che in der Span­nung von trau­ma­ti­scher und ritu­el­ler Erfahrung

Win­fried Haunerland
Die Kon­sti­tu­ti­on »Mis­sa­le Roma­num« vom Grün­don­ners­tag 1969. Ein Doku­ment der Erneue­rung als Gegen­stand der Liturgiegeschichte

Klaus Peter Dannecker
Lit­ur­gie und Jugend. Tagung der ita­lie­ni­schen Lit­ur­gie­wis­sen­schaft­le­rin­nen und -wis­sen­schaft­ler vom 27. bis 31. August 2018 in Camaldoli

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Editorial 1/2019: MISSBRAUCH – AUCH EIN THEMA DER LITURGIE

Die katho­li­sche Kir­che befin­det sich seit vie­len Jah­ren in einer tie­fen Ver­trau­ens­kri­se. Die­se erhielt noch ein­mal Auf­trieb, als im Herbst 2018 die von den deut­schen Bischö­fen in Auf­trag gege­be­ne MGH-Stu­die vor­ge­stellt und ver­öf­fent­licht wur­de. Sie mach­te in nüch­ter­nen Zah­len das unvor­stell­ba­re Aus­maß sexu­el­len Miss­brauchs Min­der­jäh­ri­ger durch Pries­ter und Ordens­leu­te eben­so deut­lich wie die Schwä­chen und oft auch das Ver­sa­gen in vie­len Kir­chen­lei­tun­gen, mit die­sen Ver­bre­chen ange­mes­sen umzu­ge­hen. Es zeigt sich, dass hier nicht allein auf ver­irr­te Ein­zel­tä­ter ver­wie­sen wer­den kann. Sexu­el­ler Miss­brauch wie jeg­li­che Form von Macht­miss­brauch in der Kir­che hat offen­bar viel­fäl­ti­ge Ursa­chen und wird durch tief­sit­zen­de struk­tu­rel­le Anla­gen gefördert.
Will man den Opfern gerecht wer­den, bedarf es scho­nungs­lo­ser Auf­klä­rung, aber auch trans­pa­ren­ter Pro­zes­se, wie bei Miss­brauchs­vor­wür­fen ver­fah­ren wird. Dar­über hin­aus wird es unum­gäng­lich sein, alle Berei­che des kirch­li­chen Lebens einer kri­ti­schen Prü­fung zu unter­zie­hen. Papst Fran­zis­kus selbst hat bereits davon gespro­chen, dass im »Kle­ri­ka­lis­mus«, also einem anor­ma­len Ver­ständ­nis­ses kirch­li­cher Auto­ri­tät, eine Wur­zel des Miss­brauchs lie­ge. Zu fra­gen ist, wel­che Rol­le dabei die Fei­er der Lit­ur­gie spielt. Wel­ches Ver­ständ­nis von Kir­che als Got­tes Volk und Leib Chris­ti, von ordi­nier­ten Amts­trä­gern und lit­ur­gi­schen Diens­ten, von gött­li­chem Han­deln und mensch­li­chem Tun wird in der Fei­er der Lit­ur­gie expli­zit wie impli­zit abge­bil­det? Wie wird in der Fei­er, ihren Sym­bo­len und Ästhe­ti­ken Kir­che erlebt? Wel­che Wirk­kraft ent­fal­tet die Lit­ur­gie als ein sym­bo­lisch-ritu­el­les Gesche­hen dabei? Zu Recht hat Prof. Dr. Bene­dikt Kra­ne­mann (Erfurt) in einem Bei­trag »wider den Kle­ri­ka­lis­mus in der Lit­ur­gie« wich­ti­ge Aspek­te in Erin­ne­rung geru­fen, die zu einer kri­ti­schen Relec­tu­re des lit­ur­gi­schen Fei­erns ein­la­den. Die in der Lit­ur­gie wir­ken­den Per­so­nen, die Ars cele­b­ran­di und prae­si­den­di, Spra­che, Raum und Gewand sind viel­schich­ti­ge Aus­drucks­for­men, die einen »Kle­ri­ka­lis­mus« för­dern oder aber ihm begeg­nen kön­nen. »Wenn es heu­te dar­um geht, dem Kle­ri­ka­lis­mus um Got­tes und der Men­schen wil­len den Gar­aus zu machen, muss auch der Got­tes­dienst der Kir­che kri­tisch in den Blick genom­men wer­den, wird man nicht nur kos­me­tisch an der Ober­flä­che arbei­ten, son­dern in die Tie­fen gehen müs­sen.«1
In die­sem Sin­ne bie­tet die­ses Heft einen Bei­trag von Prof. Dr. Andre­as Oden­thal (Bonn), der einen lit­ur­gie­wis­sen­schaft­li­chen Aspekt in die Debat­te um den Miss­brauch in der Kir­che ein­bringt. Er weist auf trau­ma­ti­sie­ren­de Erfah­run­gen von Got­tes­dienst hin und zeigt am Bei­spiel von Begräb­nis­lit­ur­gie und Oster­nacht, wie durch Grenz­ver­let­zun­gen der freie Sym­bol­raum für Ambi­va­len­zen, die auch aus dem Ritu­al nicht ent­fernt wer­den dür­fen.«2
Wel­che lit­ur­gie­theo­lo­gi­schen und lit­ur­gie­pas­to­ra­len Moti­ve die Erneue­rung der Mess­fei­er und des Mess­buchs nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil bestimm­ten und wel­che Aspek­te in den Hin­ter­grund getre­ten waren, zeigt die Relec­tu­re der Kon­sti­tu­ti­on Papst Pauls VI., »Mis­sa­le Roma­num« vom Grün­don­ners­tag des Jah­res 1969, die Prof. Dr. Win­fried Hau­ner­land (Mün­chen) vor­nimmt. Es wird deut­lich, wie aus dem Rück­blick auf ein Doku­ment, das vor 50 Jah­ren erschien, des­sen zeit­be­ding­te Gren­zen erkenn­bar wer­den, aber auch heu­ti­ge Fra­gen des Got­tes­diens­tes anknüp­fen kön­nen und wei­ter­zu­ent­wi­ckeln sind.
Ein Bericht über die 2018 ver­an­stal­te­te Tagung der ita­lie­ni­schen Lit­ur­gie­wis­sen­schaft­le­rin­nen und -wis­sen­schaft­ler aus der Feder von Prof. Dr. Klaus Peter Dan­ne­cker (Trier) kom­plet­tiert das ers­te Heft des neu­en Jahrgangs.

1 Bene­dikt Kra­ne­mann, »Das Volk Got­tes nicht aus­ste­chen«, in: GD 52 (2018) 245–247, hier 247.
2 Andre­as Oden­thal, Lit­ur­gie und Lit­ur­gie­wis­sen­schaft im Kon­text der Miss­brauchs­de­bat­te. Zum Got­tes­dienst der Kir­che in der Span­nung von trau­ma­ti­scher und ritu­el­ler Erfah­rung, in die­sem Heft (3–19, hier 19).

 

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