258Liturgisches Jahrbuch 2/2023

Inhalt der Ausgabe 2/2023

 

Edi­to­ri­al

Vero­ni­ka Bachmann
Apo­ka­lyp­tisch‹ oder: Wenn das Hier und Jetzt nicht alles ist. Eine bibli­sche Perspektive

Hans-Joa­chim Höhn
Letz­te Genera­ti­on? Zur Aktua­li­tät eines apo­ka­lyp­ti­schen Bewusstseins

Ans­gar Franz
»Es mag sein, dass alles fällt«. Kri­sen, Krie­ge und Seu­chen im Spie­gel von Kirchenliedern

Gui­do Schlimbach
Lit­ur­gie im offe­nen Raum. Begeg­nung mit dem Zeitgenössischen

Buch­be­spre­chun­gen

 


 

Editorial 2/2023: ZU DIESEM HEFT (Auszug)

 

Chris­tus in rech­ter Wei­se zu erwar­ten, heißt nach Höl­der­lin, auf­merk­sam dafür zu sein, wo der „himm­li­sche Tri­umph­gang“, wie er für die Wie­der­kunft des Herrn zu erwar­ten ist, schon frag­men­ta­risch beginnt. Die ange­mes­se­ne Reak­ti­on auf ent­spre­chen­de Erfah­run­gen ist, in den himm­li­schen Gesang ein­zu­stim­men, wenn dazu der gött­li­che Diri­gent den Takt­stock senkt. Damit wird dem Umstand Rech­nung getra­gen, dass dort, wo Chris­tus end­zeit­lich prä­sent ist, „nichts […] gemein [ist]“, also Nichts mehr „all­täg­lich“: „Denn zum All­tag, zur Zeit, gehört unter ande­rem die gespro­che­ne Rede, der Gesang ist stets Sinn­bild des ewi­gen Zustan­des, sei es inmit­ten der Zeit oder in ihrer Erfül­lung am Ende“ (Wolf­gang Bin­der)1: „Die­ser Gesang weckt die Toten auf […,] ‚die noch gefan­gen nicht vom Rohen sind‘“, heißt es im wei­te­ren Fort­gang – gemäß Höl­der­lins Spra­che die­je­ni­gen, die sich nicht fühl­los dem Gött­li­chen ent­zie­hen oder sich ihm maß­los wider­set­zen.
Die Bei­trä­ge die­ses Hef­tes reflek­tie­ren in je eige­ner Wei­se auf die­se Zusam­men­hän­ge: Vero­ni­ka Bach­mann arbei­tet aus bibel­wis­sen­schaft­li­cher Sicht und vor­nehm­lich anhand vor­christ­li­cher Tex­te her­aus, wel­che ver­schie­de­nen For­men „Apo­ka­lyp­sen“ und „Apo­ka­lyp­tik“ in bibli­scher Zeit anneh­men konn­ten. So ent­steht eine Vor­stel­lungs­welt, die auch das Chris­ten­tum maß­geb­lich beein­flusst hat. Und Bach­mann stellt die Fra­ge, wo sich aus sol­chen Quel­len her­aus eine spe­zi­fisch christ­li­che Sym­bo­lik bil­den konn­te und kann, die an deren „Hoff­nungs­ho­ri­zont“ anknüpft: eine Sym­bo­lik, die – vor allem in ihrer lit­ur­gi­schen Rea­li­sie­rung – im bes­ten Fall die Kraft hat, in zutiefst kri­sen­haf­ten Zei­ten „über den Hori­zont des Real-Fak­ti­schen hin­aus­zu­füh­ren, einer wahr­haf­ti­ge­ren Rea­li­tät ent­ge­gen. – Hans-Joa­chim Höhn prüft aus sys­te­ma­tisch-theo­lo­gi­scher Per­spek­ti­ve und in zeit­dia­gnos­ti­schem Inter­es­se, wel­che Her­aus­for­de­run­gen aktu­el­le For­men von Unter­gangs­pro­phe­tie und Welt­un­ter­gangs­vi­sio­nen dar­stel­len, und wie gera­de christ­li­che Glau­bens­prak­ti­ken, spe­zi­ell Lit­ur­gien, im Umgang mit Ängs­ten – anstatt zur Ver­drän­gung oder Beschwö­rung – zur Ent­mach­tung von Angst bei­tra­gen kön­nen. Er favo­ri­siert dafür u. a. For­men der Kla­ge, die angst­aus­lö­sen­de Mäch­te nicht ver­drän­gen oder ihnen das Feld über­las­sen, son­dern „ihren Bann zu bre­chen und zu ver­hin­dern [ver­mö­gen], dass [Angst] ihre Macht über Men­schen aus­üben kann. Die Kraft der Angst­ent­mach­tung ist ein ent­schei­den­des Kri­te­ri­um bei einer Sich­tung, wel­che For­men der Angst­be­wäl­ti­gung Glau­be und Kir­che anzu­bie­ten haben.“ – Die bei­den wei­te­ren Bei­trä­ge von Ans­gar Franz zu ent­spre­chen­den Moti­ven in Kir­chen­lie­dern, die sich in aktu­el­len Gesang­bü­chern des deut­schen Sprach­raums fin­den, und von Gui­do Schlim­bach zur Arbeit der Kunst­sta­ti­on Sankt-Peter Köln v. a. wäh­rend der Pan­de­mie zei­gen, dass Kir­che und ihre Lit­ur­gien die­se Kraft womög­lich u. a. dann am bes­ten ent­fal­ten kön­nen, wenn sie sich auf die offe­ne Begeg­nung mit den Küns­ten einlassen. […]

1 Wolf­gang Bin­der, Höl­der­lins Pat­mos-Hym­ne, in: Höl­der­lin-Jahr­buch 15, hg. v. Bern­hard Bäschenstein/Alfred Kel­letat, Tübingen 1967–1968, 92–127, 118.

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