279Liturgisches Jahrbuch 3/2020

Inhalt der Ausgabe 3/2020

 

Edi­to­ri­al
LITURGIE – MACHT – KIRCHE

Peter Eben­bau­er
Was kann Lit­ur­gi­sche Theo­lo­gie zur Ana­ly­se und Kri­tik kirch­li­cher Macht­ver­hält­nis­se beitragen?

Bene­dikt Kranemann
Macht­kon­stel­la­tio­nen im Got­tes­dienst. Lit­ur­gie­wis­sen­schaft­li­che Per­spek­ti­ven zu einem umstrit­te­nen Thema

Bir­git Jeggle-Merz
Sakra­le Macht und die Rol­le der Frau. Sich­tun­gen in der römisch-katho­li­schen Liturgie

Albert Ger­hards und Kim de Wildt
Signa­tu­ren der Macht im sakra­len Raum

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Editorial 3/2020: LITURGIE – MACHT – KIRCHE

In der katho­li­schen Kir­che nicht nur in Deutsch­land wird in letz­ter Zeit zuneh­mend über Macht und Gewal­ten­tei­lung dis­ku­tiert. Aktu­ell steht die­se Debat­te im Zusam­men­hang des Rufs nach Refor­men in der Kir­che, der ins­be­son­de­re 2018 nach der Ver­öf­fent­li­chung der MHG-Stu­die über sexu­el­len Miss­brauch an Min­der­jäh­ri­gen durch katho­li­sche Pries­ter, Dia­ko­ne und männ­li­che Ordens­an­ge­hö­ri­ge im Bereich der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz laut gewor­den ist und nicht mehr ver­stummt. Dabei wird immer wie­der auf die Lit­ur­gie und ins­be­son­de­re auf das Ver­hält­nis von Kle­rus und »Lai­en«, Män­nern und Frau­en, römi­scher Kurie und Orts­kir­chen, auf unter­schied­li­che For­men des Kle­ri­ka­lis­mus im Got­tes­dienst, auf ein not­wen­di­ges Aus­lo­ten neu­er und viel­fal­ti­ger Par­ti­zi­pa­ti­ons­mög­lich­kei­ten etc. hin­ge­wie­sen. Unter­schied­li­che Macht­ver­hält­nis­se in der Kir­che spie­len für den Got­tes­dienst eine Rol­le. Lit­ur­gie bleibt nicht außen vor, wenn es um Macht­miss­brauch und Kle­ri­ka­lis­mus geht, ver­leiht sogar bei­den manch­mal in beson­ders nach­drück­li­cher und damit ver­let­zen­der Wei­se Aus­druck und beschä­digt die betrof­fe­nen Men­schen, die Insti­tu­ti­on und letzt­lich den Glau­ben selbst. Ohne ein Offen­le­gen der im Hin­ter­grund wirk­sa­men Zusam­men­hän­ge, der jewei­li­gen Struk­tu­ren und Mecha­nis­men, ohne eine Debat­te dar­über, wie im Got­tes­dienst bewusst oder unbe­wusst Macht und somit letzt­lich auch der Got­tes­dienst miss­braucht wird, lässt sich die der­zei­ti­ge Kir­chen­kri­se nicht bewäl­ti­gen. Dafür ist die Lit­ur­gie ein für die Kir­che zu grund­le­gen­des Gesche­hen, und dies gilt nicht nur für die katho­li­sche Kir­che. Die ent­spre­chen­den Pro­ble­me wer­den nun auch The­ma auf dem Syn­oda­len Weg, den die Katho­li­kin­nen und Katho­li­ken in Deutsch­land vor Kur­zem begon­nen haben. Sie sind unter ande­ren Vor­zei­chen, etwa zur Ermög­li­chung von täti­ger Teil­nah­me, in der Lit­ur­gie­wis­sen­schaft schon län­ger erör­tert wor­den und wer­den jetzt expli­zit und nach­drück­li­cher denn je mit Blick auf die Kon­struk­ti­on von Macht­ver­hält­nis­sen oder deren mög­li­che Destruk­ti­on durch die Lit­ur­gie beleuch­tet. Die ent­spre­chen­den For­schungs­fra­gen betref­fen die Lit­ur­gie­ge­schich­te wie die Gegen­wart des Got­tes­diens­tes. Es geht um die Theo­lo­gie der Lit­ur­gie wie um ein­zel­ne For­men und Riten, um Spra­che, Nor­men, Rol­len, Geschlech­ter­ver­hält­nis­se, Raum­kon­stel­la­tio­nen etc. Die Bei­trä­ge die­ses The­men­hef­tes wid­men sich schwer­punkt­mä­ßig der heu­ti­gen Lit­ur­gie. Sie bie­ten eine Situa­ti­ons­ana­ly­se, legen lit­ur­gie­theo­lo­gi­sche Refle­xio­nen vor, erör­tern ver­schie­de­ne Fall­bei­spie­le und suchen nach Lösungsansätzen.
Um deut­lich zu machen, dass es sich um Fra­gen han­delt, für die nach theo­lo­gi­schen Ant­wor­ten zu suchen ist, steht der Bei­trag von Peter Eben­bau­er am Anfang. Er dis­ku­tiert, was die Lit­ur­gi­sche Theo­lo­gie ana­ly­tisch-kri­tisch mit Blick auf Macht­ver­hält­nis­se in der Kir­che bei­tra­gen kann. Das Ziel ist es, Aspek­te von Macht in ver­schie­de­nen lit­ur­gi­schen Zusam­men­hän­gen theo­lo­gisch benen­nen und reflek­tie­ren zu können.
Bene­dikt Kra­ne­mann fragt, wel­che Bil­der von Kir­che und Macht sich im katho­li­schen Got­tes­dienst in pro­ble­ma­ti­scher Wei­se äußern und wie mit ent­spre­chen­den Patho­lo­gien der Lit­ur­gie umge­gan­gen wer­den kann. Lit­ur­gie muss mit allen Kon­se­quen­zen als Fei­er der Getauf­ten ver­stan­den wer­den. Auf den ver­schie­de­nen Ebe­nen kirch­li­chen Umgangs mit der Lit­ur­gie ist abso­lu­te Trans­pa­renz gefordert.
Bir­git Jegg­le-Merz unter­sucht die Rol­le von Frau­en in der Lit­ur­gie. Sie beklagt eine deut­li­che Ungleich­be­hand­lung von Frau­en, ver­weist auf die Tauf­wür­de aller Getauf­ten, mahnt eine Über­ar­bei­tung der lit­ur­gie­recht­li­chen Nor­men an und hebt mit Pius XII. her­vor, dass die Kir­che das, was sie fest­ge­legt hat, nicht nur ver­än­dern, son­dern auch abschaf­fen kann.
Albert Ger­hards und Kim de Wildt suchen nach Spu­ren der Macht im lit­ur­gi­schen Raum. Ihnen geht es um die Pro­blem­la­ge his­to­ri­scher Räu­me mit ihrer sehr star­ken Kon­zen­tra­ti­on auf den Pries­ter wie um alter­na­ti­ve Raum­kon­zep­te für den Got­tes­dienst. Inter­es­sant und anre­gend sind ihre Über­le­gun­gen, wel­che Macht­fra­gen mit Blick auf Räu­me der Stil­le eine Rol­le spie­len. Sie wer­fen die Fra­ge nach dem gene­rel­len Ver­hält­nis von Reli­gi­on, Ritu­al und Macht auf.
Die vier Bei­trä­ge kön­nen nur einen klei­nen Aus­schnitt mög­li­cher Aspek­te des The­men­fel­des bear­bei­ten.1 Sie möch­ten die wis­sen­schaft­li­che Dis­kus­si­on berei­chern, aber auch die Debat­ten im jetzt anlau­fen­den Syn­oda­len Weg anregen.

1 Vgl. zum The­ma auch Amt – Macht – Lit­ur­gie. Theo­lo­gi­sche Zwi­schen­ru­fe für eine Kir­che auf dem Syn­oda­len Weg, hg. v. Gre­gor Maria Hoff/Julia Knop/Bene­dikt Kra­ne­mann (QD 308), Freiburg/Br. [u.a.] 2020.

 

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