Liturgisches Jahrbuch 2/2016
Inhalt der Ausgabe 2/2016
Editorial
ZU DIESEM HEFT
Georg Braulik
Die Erneuerung der Liturgie und das Alte Testament. An den Beispielen Pascha-Mysterium und Tora. Zur Konzilskonstitution »Sacrosanctum Concilium«
Gunda Brüske
»Sei gegrüsst, du Wort …«. Erkundungen zur rituellen Inszenierung des Wortes Gottes
Ingrid Fischer
Die aufgehobene Tradition der vorösterlichen Tagzeitenliturgie. Benediktinische »Trauermetten« nach der Liturgiereform
Marco Benini / Florian Kluger
Liturgie und Ostkirchen. Bericht über die AKL-JUNIOR-Tagung 2016 in Eichstätt
Buchbesprechungen
Büchereinlauf
Editorial 2/2016: ZU DIESEM HEFT
Die klare und unmissverständliche Aufwertung der Heiligen Schrift in der Liturgie, wie sie Sacrosanctum Concilium und die nachfolgenden Dokumente vornahm, bleibt eine beständige Herausforderung für die Theologie und Praxis des Gottesdienstes. Das zeigt sich einmal mehr an den Beiträgen des vorliegenden Heftes, die auf je ihre Weise die Rolle der Schrift in der Liturgie reflektieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln nach Konsequenzen für die Gestalt der gottesdienstlichen Feiern fragen.
Sehr grundsätzlich bedenkt der Wiener Alttestamentler, Prof. Dr. Georg Braulik, die Rolle des Alten Testaments für die Erneuerung der Liturgie und erinnert an noch weithin ausstehende Reformanliegen. Er liest die Liturgiekonstitution kritisch unter zwei Gesichtspunkten: So plädiert er zunächst für eine klare Begriffsfüllung der liturgietheologischen Leitidee von SC, wenn er unter »Pascha-Mysterium« nicht allein das Pascha Christi verstehen, sondern auch die Pascha-Tradition Israels eingeschlossen sehen will. Weil im Pascha Christi die Verheißung des Pascha Israels zu ihrer soteriologischen Erfüllung gelangt ist, kann die Liturgie das Gründungsereignis der gesamten Heilsökonomie Gottes nicht ausschließen. Eng damit verbunden sieht Braulik sodann Konsequenzen für die Leseordnung, insofern er die Tora, genauer den Pentateuch, als eine Paschageschichte deutet. Die hohe Dignität der Tora für den alttestamentlichen Kanon – ähnlich den Evangelien im Neuen Testament – müsse sich im Wortgottesdienst der sonntäglichen Messfeier niederschlagen und neu gewichtet werden.
Dr. Gunda Brüske, zusammen mit P. Peter Spichtig OP Leiterin des Liturgischen Instituts der deutschsprachigen Schweiz in Fribourg, nimmt die Neuausgabe des deutschschweizer Feierbuches »Die Wort-Gottes-Feier am Sonntag « von 2014 (22015) zum Anlass, um über Form, Gestalt und Umfang der rituellen Inszenierung des Wortes Gottes nachzudenken. Dabei greift sie die in diesem Buch markant gestaltete Prozession mit dem Lektionar auf, untersucht sie hinsichtlich paralleler Traditionen (Evangelienprozession, Kleiner Einzug der byzantinischen Liturgie) und stellt deutlich heraus, dass das neue Feierbuch versucht, den für die Wort-Gottes-Feier zentralen Charakter der Epiphanie des Wortes rituell erfahrbar zu machen. Kritisch beleuchtet sie die Frage nach der Verehrung des Lektionars bzw. der Verkündigungsbibel als Christussymbol. Damit macht sie auf Kriterien aufmerksam, die auch für die künftige Neuausgabe der Mess-Lektionare und des Evangeliars, die nach der Revision der Einheitsübersetzung ansteht, von Relevanz sind.
Schließlich führt Frau Mag. DDr. Ingrid Fischer, Wissenschaftliche Assistentin der »Theologischen Kurse« in Wien, ihre im vergangenen Jahrgang publizierte Studie zur Tagzeitenliturgie an den drei Tagen vor Ostern weiter1 und untersucht nun die Trauermetten in der neuen monastischen Tradition, wie sie im Benediktinischen Antiphonale aus Münsterschwarzach 1996 zum Ausdruck kommt. Dabei kann sie im Vergleich zwei unterschiedliche theologischen Linien herausarbeiten: Während die christologisch zentrierte römische Ordnung stärker die Einheit von Lebenshingabe und Auferstehung betont, regt die theozentrisch geprägte benediktinische Version zu einer Identifikation mit dem leidenden und sterbenden Christus an. Beide Linien, so Fischer, ergänzen einander und bilden je eigene liturgisch-spirituelle Akzente aus.
Ergänzend zu diesen Beiträgen informieren Dr. Marco Benini und Akademischer Rat Dr. Florian Kluger über die Tagung der AKL-Junior, die in diesem Jahr in Eichstätt stattfand und sich in enger Verbindung mit dem dortigen Collegium Orientale dem Thema »Liturgie und Ostkirchen« widmete.
1 Vgl. Ingrid Fischer, Zur Tagzeitenliturgie an den drei Tagen vor Ostern. Vom römischen (und monastischen) Offizium zur heutigen Liturgia Horarum, in: LJ 65 (2015) 105–124.