»Gott loben in der Stille«
(GL 399)

Wor­te von Gün­ter Bal­ders 1984; Melo­die von Hugo Nyberg 1903

 

Lied­por­trait von Mein­rad Walter

Die Geschich­te die­ses Lie­des beginnt kei­nes­wegs in der Stil­le, son­dern auf einem Floh­markt! Dort erstand Gün­ter Bal­ders (geb. 1942), Kir­chen­ge­schicht­ler und Hym­no­lo­ge aus dem frei­kirch­li­chen Bereich, ein hol­län­di­sches Lie­der­buch von 1935. Eine Melo­die dar­aus hat ihn beson­ders fasziniert.

Die neu­en Wor­te von Gün­ter Bal­ders sind eben­so schlicht wie die Melo­die von Huu­go Nyberg, die er in der inter­kon­fes­sio­nel­len Antho­lo­gie „Geest­eli­jee Lie­de­ren us dem Schatz der Kir­che von Jahr­hun­der­ten“ ent­deckt hat. Mit­ein­an­der ver­wand­te The­men wer­den wie Ges­ten in den Klang­raum gestellt: „Gott loben“, „Gott lie­ben“, „Gott leben“. Kein „Ich will aber“ oder „Wir sol­len doch“ drängt sich vor. In fast mys­ti­scher Art ver­bin­den sich Pas­si­vi­tät und Akti­vi­tät. Die ers­te Stro­phe erin­nert an das Gebet des Schwei­gens, denn jedes Beten grün­det im Hören. Die The­se ist zudem kühn: Alles Schwei­gen „zu jeder Zeit“ kann zum Beten wer­den, indem es vom lee­ren Nicht-Reden zum erfüll­ten Schwei­gen wird. Das „Lie­ben“ in Stro­phe 2 ist gren­zen­los, gleich­sam ver­an­kert in ihm, der die Lie­be ist (1 Joh 4,16) und aus Lie­be sei­nen Sohn Jesus Chris­tus nicht nur damals gesandt hat, son­dern ihn heu­te „uns zur Sei­te gibt“.

Auf die The­men Gebet und Lie­be folgt der Aspekt der Nach­fol­ge mit der Kurz­for­mel „Gott leben“. Alte Gebe­te wie „Jesus, dir leb ich, Jesus, dir sterb ich“ (vgl. Röm 14,8 und GL 367) klin­gen an. Auch das Nach­fol­gen beginnt nicht vor­der­grün­dig aktiv, son­dern mit einem „Stau­nen“, das ins Tun mün­det. Die letz­te Stro­phe fasst alle Impul­se poe­tisch-theo­lo­gisch zusam­men. Und selbst dar­in steckt eine ver­bor­ge­ne Aus­sa­ge. Es geht nicht nur um die Abwechs­lung von Loben, Lie­ben und Leben. Es geht um die gegen­sei­ti­ge Durch­drin­gung die­ser drei Aspek­te, die nun vom „Loben in der Stil­le“ poe­tisch gerahmt werden.

Die Stil­le ist das The­ma. Wie aber kom­po­niert man Stil­le? Durch Pau­sen viel­leicht. Der Avant­gar­de-Kom­po­nist John Cage hat ein viel dis­ku­tier­tes »stil­les Stück« kre­iert. In drei musi­ka­li­schen Sät­zen erklingt vier Minu­ten und 33 Sekun­den lang – der Titel heißt „4‘33‘‘“ – kein ein­zi­ger Ton. Ob sol­ches Schwei­gen eine Form des Got­tes­lobs sein kann, muss wohl jeder selbst ent­schei­den. John Cage hät­te es bejaht.

Die Musik von Huu­go Nyberg (1873–1935) geht einen ande­ren Weg. Aus der Tie­fe kom­mend, schwingt sie sich in zwei Anläu­fen hoch hin­auf, um dann in die Stil­le ein­zu­mün­den. Bogen­för­mig run­det sich die Melo­die der ers­ten Zei­le, vom Grund­ton h über den Weg einer Quart, bis am Ende wie­der der Grund­ton erreicht ist. Die zwei­te Zei­le bringt als Auf­schwung einen Quart­sprung sowie als melo­di­sche Abrun­dung eine Art Öff­nung auf der Quint. Die drit­te Zei­le setzt eine Okta­ve höher ein als die ers­te. Mar­kant erklingt die Ton­wie­der­ho­lung auf dem hohen d‘‘. Der hier erst­mals erklin­gen­de Leit­ton ais fes­tigt die Ton­art kaum, son­dern lässt sie in der Schwe­be. Erst die letz­te Zei­le ver­knüpft die ruhi­gen Momen­te der zwei­ten und der ers­ten zu einer bogen­för­mi­gen Melo­die, die von der Quint schritt­wei­se abstei­gend in den Grund­ton mün­det und so die Stil­le findet.

In der beson­de­ren, ja kost­ba­ren Zeit der Stil­le öff­net sich ein Fens­ter zur Ewig­keit. Nicht von uns drau­ßen wird es geöff­net, son­dern von innen. Wir kön­nen dar­auf auf­merk­sam sein, indem wir uns nicht an die Zeit ver­lie­ren, son­dern der lei­sen Stim­me Got­tes Gehör schen­ken. Dar­auf weist je ein die Zeit gleich­sam kon­tra­punk­tie­ren­des Wort in jeder Stro­phe: „zu jeder Zeit“ (1), „ohne Ende“ (2) sowie „alle Tage“ und „immer­fort“ (4).

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