»Jesus lebt, mit ihm auch ich«
(GL 336)

Wor­te: Chris­ti­an Fürch­te­gott Gel­lert; Musik: Albert Höfer 1859

 

Liedportrait von Meinrad Walter

Woll­te man die­ses Lied auf einen Nen­ner brin­gen, dann sind es die ers­ten bei­den Wor­te „Jesus lebt“! Kür­zer lässt sich die biblisch-christ­li­che Oster­bot­schaft nicht for­mu­lie­ren. Und die zwei­te Satz­hälf­te des anfäng­li­chen Aus­rufs begrün­det, war­um das über­haupt heu­te noch wich­tig ist: „… mit ihm auch ich!“ Alle Wor­te, die zudem erklin­gen, vari­ie­ren die­se „Kurz­for­mel des öster­li­chen Glau­bens“, die poe­tisch gleich­sam ein­ge­spannt ist in die bei­den Namen „Jesus“ und „ich“. Im Hin­ter­grund ste­hen Bibel­wor­te wie „Ich weiß, dass mein Erlö­ser lebt“ (Hiob 19,25) oder Jesu Ver­hei­ßung in den Abschieds­re­den des Johan­nes­evan­ge­li­ums „ich lebe und ihr sollt auch leben“ (Joh 14,19b).

Wer ist der Dich­ter die­ses Lie­des? Chris­ti­an Fürch­te­gott Gel­lert (1715–1769) stammt aus einem pro­tes­tan­ti­schen Pfarr­haus im säch­si­schen Erz­ge­bir­ge. Er stu­dier­te Theo­lo­gie, wur­de aber, nicht zuletzt wegen sei­ner kör­per­lich und see­lisch ange­grif­fe­nen Gesund­heit, nicht Pfar­rer, son­dern wid­me­te sich der Wis­sen­schaft als Pro­fes­sor in Leip­zig. Dort hielt er Vor­le­sun­gen über Phi­lo­so­phie, Dicht­kunst, Bered­sam­keit und Moral. Der preu­ßi­sche König Fried­rich II. schätz­te ihn, und der jun­ge Goe­the berich­tet als Hörer sei­ner Vor­le­sun­gen: „Die Ver­eh­rung und Lie­be, wel­che Gel­lert von allen jun­gen Leu­ten genoss, war außer­or­dent­lich.“ Gel­lert blieb jedoch nicht im rein aka­de­mi­schen Bereich, son­dern ent­fal­te­te etwa mit sei­nen Fabeln eine gro­ße Wir­kung als popu­lä­rer Schrift­stel­ler. Sein bekann­tes­tes Gedicht ist wohl „Die Him­mel rüh­men des Ewi­gen Ehre“, das Lud­wig van Beet­ho­ven als Kla­vier­lied vertonte.

Im Kir­chen­lied „Jesus lebt, mit ihm auch ich“ ent­spricht der Bot­schaft von Gel­lerts Wor­ten von Anfang an ein Klang. Es ist der Quart­sprung f-b mit signal­haf­tem Rhyth­mus und der Beto­nung auf „lebt“. Und ähn­lich wie die Anfangs­bot­schaft der Wor­te zieht sich die­ser Klang durch das gesam­te Lied. Er erklingt nach dem Beginn noch­mals im zwei­ten sowie im vierten/fünften Takt. Die Wor­te „Er ver­klärt mich in sein Licht“ (Takt 9/10) sind von der Quart gleich­sam gerahmt, und der vor­letz­te Takt schließ­lich beschreibt noch­mals das glei­che wich­ti­ge Inter­vall, nun aber vom obe­ren Ton ausgehend.

Die Melo­die stammt von Albert Höfer (1802–1857), der als Pries­ter und Musi­ker im Bis­tum Augs­burg gewirkt hat. Ganz im Sin­ne der Auf­klä­rung und der begin­nen­den demo­kra­ti­schen Bewe­gung saß er eini­ge Wahl­pe­ri­oden lang im „Land­rat von Schwa­ben und Neu­burg“. Das Gesang­buch „Lau­da­te“, an dem er maß­geb­lich mit­ge­wirkt hat, war bis zum Erschei­nen des „Got­tes­lob 1975“ in Gebrauch.

Das Lied von Gel­lert und Höfer ent­fal­tet Bil­der von Jesus: Er ist der von Gott Auf­er­weck­te (1). Er ist der Herr­scher der Welt (2), der Über­win­der allen Lei­dens (3) und der Trös­ter in der Todes­not (4). Jedes die­ser Bil­der ist aber nicht nur ein Bild von Jesus. Viel­mehr sind die Betrach­ter gleich­sam in das Bild mit hin­ein­ge­malt. Der Glau­ben­de hofft auf sei­ne Auf­er­ste­hung und die Ver­klä­rung in das gött­li­che Licht hin­ein (1), er nimmt teil an Chris­ti Herr­schaft (2), hält unver­brüch­lich zu Jesus (3) und er ruft Jesus im Leben wie im Tod als Trös­ter an (4).

Zwei­mal wech­selt Gel­lert mit Bedacht von der Aus­sa­ge zur direk­ten Anre­de. Das ist – nach der Über­schrift „Jesus lebt, mit ihm auch ich“ – gleich die ers­te Zei­le, und dann noch­mals die aller­letz­te in der Schluss­stro­phe. „Tod, wo sind nun dei­ne Schre­cken?“ – ist inspi­riert von der Fra­ge, die der Apos­tel im ers­ten Korin­ther­brief auf­wirft: „Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Sta­chel?“ (1 Korin­ther 15,54). Oft­mals ist die­ser Tri­umph über den Tod ver­tont wor­den, eher ver­in­ner­licht in Georg Fried­rich Hän­dels „Mes­si­as“ und gera­de­zu tri­um­phie­rend im „Deut­schen Requi­em“ von Johan­nes Brahms.

Wich­ti­ger noch ist die zwei­te direk­te Rede, die sich an Jesus wen­det: „Herr, Herr, mei­ne Zuver­sicht!“ Die­ses Stoß­ge­bet inten­si­viert die Schluss­zei­le jeder Stro­phe „dies ist mei­ne Zuver­sicht“. Gel­lert deu­tet damit auch an, dass er sich von dem im evan­ge­li­schen Raum alt­be­kann­ten baro­cken Ver­trau­ens­lied „Jesus, mei­ne Zuver­sicht“ aus dem Jahr 1644 wohl hat inspi­rie­ren las­sen. Übri­gens sah er auch des­sen Melo­die von 1653 für sein neu­es Lied vor, womit ihm die meis­ten evan­ge­li­schen Gesang­bü­cher gefolgt sind, auch das heu­ti­ge. Das neue „Got­tes­lob“ hat sich für die in eini­gen Regio­nen bereits bekann­te Melo­die von Höfer ent­schie­den, so dass wir nun mit die­sem Lied in öku­me­ni­scher Hin­sicht eine text­li­che Über­ein­stim­mung bei musi­ka­li­scher Ver­schie­den­heit haben.

Für vie­le ist das Lied „Jesus lebt, mit ihm auch ich“, das Gel­lert in sei­nen „Geist­li­chen Oden und Lie­dern“ 1757 erst­mals ver­öf­fent­licht hat, ein neu­es Oster­lied. Dass es den Geist der Auf­klä­rung atmet und zugleich biblisch ver­an­kert ist, könn­te einer neu­en katho­li­schen Aneig­nung durch­aus ent­ge­gen­kom­men. 50 Jah­re nach dem Inkraft­tre­ten der Lit­ur­gie­kon­sti­tu­ti­on des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils „Sacro­sanc­tum Con­ci­li­um“ dür­fen wir aber auch an einen Impuls die­ser lit­ur­gi­schen Erneue­rung den­ken. In Arti­kel 81 hat das Kon­zil emp­foh­len, dass der Ritus des Begräb­nis­ses „deut­li­cher den öster­li­chen Sinn des christ­li­chen Todes aus­drü­cken“ soll. Doch dafür gibt es nur weni­ge Lie­der. Die Ster­be­lie­der blei­ben oft­mals zu sehr beim Tod ste­hen, wohin­ge­gen die Auf­er­ste­hungs­lie­der eine Oster­freu­de ver­mit­teln, die dem Abschied am Grab kaum ange­mes­sen ist. „Jesus lebt, mit ihm auch ich“ könn­te zum Oster­lied katho­li­scher Got­tes­diens­te wer­den und zugleich zum öster­li­chen Lied bei man­chen Trauerfeiern.

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